Wir hatten ja nicht hören wollen.
Nein. Ich sollte positiver anfangen:
Ich liebe Himbeeren.

Meine Gartennachbarin Christina auch. Uns vereint die Liebe zu diesen entzückenden roten Früchtchen, die nach Sommer schmecken und von denen wir niemals genug kriegen können. Frisch geerntet direkt in den Mund – aaaah, was kann es köstlicheres geben? Über Rezepte zur Verarbeitung von Himbeeren können wir nur verständnislos den Kopf schütteln, denn so weit schafft es bei uns keine eine einzige Frucht – gleich essen, heißt die Devise. Ok, ich gebe es zu, es gibt einen gewissen Suchtfaktor.

Deshalb war das Entzücken groß, als unsere Nachbarin Anne ihre Himbeerpflanzen dezimierte und uns überzählige Triebe anbot. „Passt aber auf!“ warnte sie uns, „Die vermehren sich wie blöde – nicht dass ihr dann zuviel davon habt!“ Wir lachten sie aus – „zuviele Himbeeren“, was sollte das denn sein?!

Begeistert nahmen wir jede Pflanze in Empfang, gruben sie sorgfältig mit Hornspäne ein, wässerten sie – kurzum, wir gingen mit größter Hingabe und Liebe ans Werk und fantasierten vom reichen Himbeersegen, der uns erwarten würde. Ob wir es nicht vielleicht doch schaffen würden, Himbeergelee zu produzieren, weil wir angesichts der erwarteten Himbeerschwemme mit dem gleich-essen gar nicht mehr hinterher kommen würden? Alles war eitel Sonnenschein – und die Himbeerernte zwar reichlich aber gut zu handhaben.

Was lachten wir über Annes Unkenrufe, die nicht müde wurde zu betonen „Wartet nur ab. Ihr werdet die vielen Pflanzen noch bereuen! Die breiten sich überall hin aus!“ – „Und wenn schon!“ riefen wir trotzig, „Himbeeren überall, wie wunderbar!“

Hatte ich bereits erwähnt, dass in unmittelbarer Nähe des Gartenzauns, den wir in eine Himbeerhecke verwandelt hatten, unsere gut gepflegten Hochbeete stehen?

Sie ahnen es schon:

Die kraftvollen Himbeerpflanzen suchten sich ihren Weg durch sämtliche sorgsam aufgebauten Schichten und reckten sich schließlich stolz mitten im Hochbeet nach dem Motto „Hier stehe ich und kann nicht anders“.

Reumütig taten wir Buße Anne gegenüber, die sich ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen konnte.

Aber noch waren wir guter Hoffnung, der Lage Herr zu werden, rupften die Triebe aus und sprachen uns gegenseitig Mut zu, dass wir die aufmüpfigen Himbeeren schon disziplinieren würden, wär‘ doch gelacht! Wozu gab es schließlich Rhizomsperren und dergleichen.

Das Frühjahr kam und mit dem ersten Wachstumsschub jede Menge Himbeerpflanzen um die Hochbeete herum und natürlich auch mittendrin.

Ich wollte ganz besonders schlau sein und wartete, bis die Triebe hoch genug waren, um sie dann mit der Wurzel auszureißen.

Möglicherweise irre ich mich, aber ich meinte, spätestens beim dritten abgebrochenen Trieb ein höhnisches Lachen aus der Tiefe zu gehört zu haben.

„Na wartet!“ sagte ich mir und suchte das nächste Gartencenter auf, um mich mit Rhizomsperren auszustatten. Der Gärtner lächelte nachsichtig. „Da müssen sie schon 60 cm tief graben!“ Da dies aufgrund fehlenden Platzes zwischen Zaun und Hochbeet keine Option war, fuhr ich weiter zum Baumarkt, schon leicht am Ende meiner Nerven. Der freundliche Mitarbeiter machte mir wenig Hoffnung „Himbeeren?! Die bohren sich aus einem Meter Tiefe an der Rhizomsperre vorbei nach oben!“

Einen letzten Versuch machte ich, als die ersten ausgesäten Spinatpflänzchen aufgingen, und riß die nachgewachsenen Himbeertriebe nochmal aus. Dabei gingen natürlich einige Spinatpflänzchen mit drauf.

Und nun? Ich werde eben die Himbeertriebe regelmäßig abschneiden und darauf hoffen, dass trotzdem auch noch etwas anderes wächst in meinen Hochbeeten.

 

Und wenn die Himbeeren doch alles überwuchern?

Tja, dann gebe ich mich geschlagen. Und falls der Tag kommt, an dem ich mich an frisch geernteten Himbeeren satt gegessen habe und immer noch reichlich übrig habe, dann, und erst dann, werde ich das erste Himbeergelee meines Lebens machen.

Anne wird ein Glas davon abbekommen.