Ich war auf der Rückreise von den schottischen Orkney-Inseln, wo ich an dem fantastischen Workshop „Speaking Poetry“ im Kristin-Linklater-Voice-Center teilgenommen hatte.

Geografisch ist dieser nördliche Zipfel Schottlands gar nicht so weit weg – die An- und Abreise ist allerdings ein klein wenig aufwändig:

Das Reisebüro meines Vertrauens hatte mir glaubhaft versichert, dass aufgrund der Anschlüsse des Flughafens Kirkwall auf Orkney nur die Verbindung Frankfurt-Amsterdam-Glasgow-Kirkwall und Kirkwall-Edinburgh-Amsterdam-Frankfurt in Frage kommen würde.

„Das ist ja echt um die Ecke – aber ganz ehrlich, in der Zeit bin ich auch bis nach Pakistan geflogen!“ meinte der fröhliche Taxifahrer, der mich frühmorgens nach Frankfurt zum Flughafen gebracht hatte.

In Kirkwall hatten wir jedenfalls Verspätung – es war stürmisch und die kleinen Propellermaschinen der Loganair hatten ordentlich zu tun, sich gegen den Wind auf die Hauptinsel der Orkneys durchzukämpfen.

Also flogen wir mit über einer Stunde Verspätung ab, samt der bangen Frage, ob der Anschluss in Edinburgh nach Amsterdam noch erreicht würde.

Aber da die freundliche Dame am Check-in äußerst zuversichtlich gewesen war und im blinden Vertrauen auf die Künste der Gepäckabfertigung meinen Koffer bis Frankfurt durchgecheckt hatte, ließ ich mich von ihrer Hoffnung anstecken.

In Edinburgh wurde es recht knapp, nach einem kurzen Spurt erreichte ich aber doch rechtzeitig die Boarding-Schlange am Gate.

Hoffnungsfroh dachte ich an meinen Koffer und wähnte ihn im selben Flugzeug.

Der Umstieg in Amsterdam verlief ohne Probleme, endlich kam ich in Frankfurt an, das Gepäckband zuckelte los – allein, mein Koffer war nicht dabei.

Die nette Dame am KLM-Schalter wusste zwar absolut nicht, wo er zu finden wäre, versprach mir aber, dass er auf jeden Fall am nächsten Tag per Kurier gebracht würde.

Ich vermute, Flughafenangestellte lernen auf speziellen Schulungen unerschütterliche Zuversicht und wie man sie mit Überzeugung dem Fluggast vermittelt – jedenfalls ließ ich mich wieder bereitwillig mit Hoffnung anstecken und verließ kofferlos-erleichtert den Flughafen in Richtung Heimat.

Reisemüde lag ich zuhause auf dem Sofa, als mich eine äußerst interessante Email aus Amsterdam mit einem Schlag hellwach werden ließ:
Eine gewisse Miss H. würde am Flughafen Schiphol an Tür 16 auf mich warten – mit  meinem Koffer in der Hand.

Leicht verwirrt ging ich irrtümlicherweise davon aus, dass Miss H. eine KLM-Angestellte sei, schrieb ihr zurück und bekam zur Antwort, dass sie meinen Koffer nun in der Obhut des KLM-Gepäckservices ließe, glücklicherweise ihren eigenen Koffer bekommen hätte und mir viel Glück wünschte.

Nun war ich noch verwirrter und es entspann sich am folgenden Vormittag ein munterer Maildialog.
Folgendes war passiert:
Mein Koffer, dieser kleine Herumtreiber, hatte sich offensichtlich ohne mein Wissen für ein Vielflieger-Meilen-Sammelprogramm angemeldet und war von Edinburgh über Bristol nach Amsterdam gereist.
Auch der Vater von Miss H. kam von Bristol in Amsterdam an, sah am Gepäckband seinen Koffer, schnappte ihn sich und fuhr frohgemut nach Hause.
Dort angekommen, wunderte er sich, dass er seinen Koffer nicht öffnen konnte und es stellte sich heraus, dass es gar nicht sein Koffer war sondern meiner (Wir lernen: Namensschildchen am Koffer haben ihren Sinn und Zweck! Abschließbare Koffer auch.).
Nach einem Anruf bei KLM fuhr also Miss H. die 100 Kilometer zurück zum Flughafen, versuchte erfolglos, mich zu erreichen und gab dann meinen Koffer beim Gepäckservice ab.

Noch während unserer hin-und-her-Mailerei erreichte mich eine Nachricht der KLM Gepäckinformation, dass mein Koffer schon mal in Frankfurt gelandet sei.
Ich hatte diese frohe Botschaft kaum der netten Miss H. mitgeteilt, da läutete es auch schon an der Tür und der gut gelaunte Kurierdienstmitarbeiter brachte mir mein abenteuerlustiges Reisegepäck – ganz leicht lädiert, aber froh, endlich daheim zu sein.

Ich gebe ja zu, der Koffer war erst wenige Monate in meinem Haushalt; es war seine erste Flugreise – und ich hatte versäumt, ihn zu ermahnen, nicht einfach so mit Fremden mitzugehen.

Das holte ich jetzt nach und versah ihn vorsichtshalber rundherum mit albernen Smileys, auf dass er von nun an unverwechselbar sei.

Mit einem kleinen „Beweisfoto“ bedankte ich mich noch einmal bei Miss H.

 

Jetzt bin ich nur gespannt, was passiert, wenn ich diesen reisefreudigen Koffer das erste Mal mit dem Hermes Gepäckservice verschicke…

Fortsetzung folgt… (hoffentlich nicht!)

 

Fotos: Nellie Elliot